Dirk Heidenblut (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Ich freue mich auch, dass wir hier – auch wenn wir über ein Thema reden, über das man sich sicherlich nicht freuen kann – endlich zu einer gemeinsamen Initiative kommen. Ich erlaube mir, ein Wort einer meiner Vorrednerinnen aufzugreifen – ich halte es für eine sehr schöne Formulierung -: dass wir das Thema weiter besprechbar machen. Allein das ist schon ein ganz wichtiger Ansatz. Denn schon dadurch, dass wir uns hier mit diesem Antrag beschäftigen, bewirken wir etwas.
(Birgit Wöllert (DIE LINKE): So schlecht habe ich ihn auch gar nicht gemacht!)
Frau Kollegin Wöllert, ich war auch sehr froh, dass wir schon im letzten Jahr etwas machen konnten. Ich gebe Ihnen auch recht: Wir waren an einigen Stellen weiter. Aber so schlecht, wie Sie ihn machen, finde ich unseren Antrag auch wieder nicht.
Aber es ist ganz wichtig, dass wir an der Stelle – das will ich deutlich sagen – wirklich zeigen, dass wir gemeinsam etwas tun wollen, weil uns 10 000 Tote nicht kalt lassen, weil uns die Menschen, die im Suizid den einzigen oder zumindest einen Ausweg sehen, wichtig sind und weil wir sie von diesem Ausweg nach Möglichkeit abbringen wollen. Das ist unser Kernansatz. Der Kollege Henke hat zu Recht deutlich gemacht: Das können wir nicht alleine tun. – Das werden wir am Ende auch nicht mit dem vorliegenden Antrag schaffen. Aber wir können dafür sorgen, dass nicht nur darüber geredet wird, sondern dass damit auch die Aufmerksamkeit geschärft wird; meine Vorrednerin hat das sehr deutlich gemacht. Nur wenn wir alle aufmerksam sind, bekommen die betreffenden Menschen den ersten Zugang.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sehen den Antrag als gemeinsames Zeichen. Ich hätte mir durchaus gewünscht, dass wir einen gemeinsamen Antrag vorlegt hätten. Ich würde mich freuen, wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linken, doch noch zu einer Zustimmung kommen könnten. In unserem Antrag steht nichts, dem man nicht zustimmen kann. Sicherlich kann das eine oder andere noch verbessert werden. Aber daran kann man arbeiten.
(Birgit Wöllert (DIE LINKE): Dann machen wir ihn gemeinsam!)
Der Antrag ist letzten Endes durchaus wegweisend.
Die Gründe der Menschen für einen Suizid sind vielfältig. Es ist auch nicht an uns, eine Aussage über diese Gründe zu treffen. Aber es ist sehr wohl an uns, dafür zu sorgen, dass solche Gründe nicht vorhanden sind oder dass die Rahmenbedingungen, wenn solche Gründe vorhanden sind, so sind, dass sich statt eines Suizids eine andere Möglichkeit findet.
(Beifall der Abg. Mechthild Rawert (SPD))
Ein Grund ist sehr häufig eine psychische Erkrankung oder zumindest eine massive psychische Belastung. Daher ist es nach wie vor fatal, dass Menschen in vielen Situationen oft monatelang auf den ersten Ansprechpartner warten müssen, der ihnen in fachlicher Hinsicht in irgendeiner Form Hilfe leisten kann. Es ist richtig, dass wir als Große Koalition den G-BA aufgefordert haben, hier endlich zu handeln und dafür zu sorgen, dass im Rahmen der Psychotherapie-Richtlinie schnellere und bessere Zugangsmöglichkeiten geschaffen werden. Aber das muss – diese Bemerkung sei mir an dieser Stelle gestattet – nun auch umgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass die handelnden Fachkräfte wie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten durch entsprechende Ausstattung, Zeitkontingente und angemessene Bezahlung in die Lage versetzt werden, die von uns gewollten Angebote zu eröffnen. Das ist ein wesentlicher Punkt.
Der Kollege Henke hat nicht zu Unrecht die Frage angesprochen, ob wir bestimmte Medikamente eigentlich zugänglich machen müssen, um sozusagen den Suizid zu ermöglichen. Ich möchte darauf nicht näher eingehen, nur so viel: Wir müssen auch in entgegengesetzter Richtung vorgehen. Wenn wir bestimmte Medikamente, die Menschen in den gerade geschilderten ausweglosen Situationen, in denen jedwede andere Behandlung nicht gewirkt hat, brauchen – ich spreche ausdrücklich Cannabis als Medikament an -, für nötig halten und der Meinung sind, dass die betreffenden Menschen sie erhalten sollen, dann dürfen wir erwarten, dass der G-BA diese
Medikamente zügig verfügbar macht; denn solche Medikamente zurückzuhalten sowie Menschen in ihrem Leid, ihrem Elend und in ausweglosen Situationen alleine zu lassen, ist wahrlich keine Suizidprävention, sondern das genaue Gegenteil.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN )
Wir haben viel erreicht und viele Aspekte berücksichtigt. Wenn wir uns den aufgelisteten 18 Punkten – vor allem in der nächsten Legislaturperiode – im Detail intensiv widmen, können wir noch viel mehr Prävention erreichen. Eines ist ganz wichtig: Wir müssen Menschen, die meinen, in einer ausweglosen Situation zu sein, die Hoffnung geben, dass es weitergeht. Nachdem so viele schöne Projekte angesprochen wurden, möchte ich auf ein weiteres hinweisen. Der Verband, dem ich angehöre, hilft mit einem sogenannten Wünschewagen bundesweit Menschen, die vor dem Tod stehen und um ihr Leben kämpfen. Das ist ein tolles Projekt, das zu erwähnen, an dieser Stelle gut passt. Wenn man bis zum Schluss weiß, dass man es wagen kann, Wünsche zu haben, dass das Leben noch lebenswert ist, dann ist das ein ganz wesentlicher Schutz vor Suizid.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Ich würde mich sehr freuen, wenn doch noch alle dem Antrag zustimmen könnten. Ich glaube, dass nichts dagegen spricht.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)